Das wunderbare erste Mal...

... bei Rene Pollesch: Keiner findet sich schön!



Theaterplakat zu Rene Pollesch, Life is the new hard!


Paganini, der Kater, ist wegen Unwohlsein im Allgemeinen und im Besonderen, wegen Weltschmerz, melancholischem Anflug sowie leicht depressiver Verstimmtheit, dem ersten Mal bei Rene Pollesch in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz fern geblieben. Und so nimmt er denn mit Katzenbuckel die Frage vorweg, deren Antwort eigentlich erst am Ende des Posts der Redakteurin stehen soll: 
"Ist es denn wirklich wunderbar gewesen, Dein erstes Mal beim Polleeeeeesch?"

Die Redakteurin setzt sich an den PC, in den Räumen der Paganinis-Redaktion und tippt dem Kater Folgendes:

"Wäre ich nicht zum Pollesch in die Volksbühne gegangen, dann wäre ich vielleicht bei Dir geblieben. Und wäre ich bei Dir geblieben, dann hätte ich und dann hättest Du vielleicht eine Zigarette miteinander geraucht. Und wenn wir eine Zigarette miteinander geraucht hätten, dann hätten wir nebeneinander gesessen, du für Dich und ich für mich und jeder von uns hätte seine Zigarette geraucht und in eine andere Richtung geschaut. Und wir hätten, vielleicht, kein Wort zueinander gesagt. Aber so bin ich eben beim Pollesch in der Volksbühne gesessen. 
Und wäre ich nicht beim Pollesch in der Volksbühne gesessen, dann hättest Du Dich vielleicht ohne mich herum getrieben und ich wäre zu Hause geblieben. Ohne Dich. Und vielleicht hätte ich dann trotzdem eine Zigarette geraucht. Und wenn ich keine Zigarette geraucht hätte, dann hätte ich vielleicht einen Film geschaut. Und wenn ich nicht irgend einen Film geschaut hätte, dann hätte ich vielleicht genau den Film gesehen, den der Fabian Hinrichs bei meinem ersten Mal bei Pollesch in der Volksbühne auch fast geschaut hätte. Den Robocop. Aber den hat der Hinrichs, glaube ich, dann doch nicht geschaut. Aber wenn ich den Robocop nicht geschaut hätte, dann wäre ich vielleicht Zigaretten holen gegangen. Nur für 5 Minuten Zigaretten holen gegangen. Und dann hättest Du in genau diesen 5 Minuten vor meiner Tür gestanden und geklingelt. Und ich hätte Dich verpasst. Und wenn ich doch nicht beim Pollesch in der Volksbühne gesessen hätte und wenn ich auch nicht die Zigaretten holen gegangen wäre, in diesen verflixten 5 Minuten, in denen Du vergeblich an meiner Tür geklingelt hättest, wenn ich also doch den Robocop geschaut hätte, dann hätte ich Dich nicht verpasst und ich hätte Dir die Tür geöffnet. Und dann hätten wir vielleicht 2 Stunden lang Rotwein in uns geschüttet, jeder für sich und wir hätten geredet. Und nach 2 Stunden, nachdem wir den Rotwein in uns geschüttet hätten, dann hätten wir uns, vielleicht, ganz neutral voneinander verabschiedet. Und wenn wir uns nicht ganz neutral voneinander verabschiedet hätten, dann hätten wir uns vielleicht aneinander geklammert. Und wenn wir uns aneinander geklammert hätten, dann hätte ich gemerkt, dass Du Dich ja noch vor wenigen Stunden, ohne mich, ganz glücklich draußen herum getrieben hast:
Denn wir kommen nicht zueinander. Wir kommen einfach nicht zu-ein-ander. Es gibt kein Zusammen!"

Ungefähr so hat der Fabian Hinrichs etwas über 1 Stunde vor sich hin monologisiert an diesem Abend, meinem ersten Abend beim Pollesch in der Volksbühne. Und dazu hat er gefuchtelt, auch ins Publikum hinein gefuchtelt, aber irgendwie hat er das dennoch vor sich hin gebrummelt, oder vor sich hin heraus-geschleudert oder vor sich hin, in den nicht mehr vorhandenen Himmel, geschrien, als brummele, schleudere, fuchtele und schreie er letztlich nur für sich selbst, weil da nirgends ein ANDERER wäre, als nur er selbst. 

Und das hat ihn und das hat uns, das dennoch vorhandene Publikum, das eine oder andere Mal ziemlich amüsiert, ihn weniger, uns, das Publikum aber schon und meistens hat das ihn und auch uns, das Publikum, verzweifelt gemacht, uns, das Publikum weit weniger, ihn, den Hinrichs, aber umso mehr.
Und immer wenn es hätte, minimal, langweilig werden können, dann hat der Pollesch für eine kurze Musik- oder Tanz-Einlage gesorgt. Oder er hat ein riesengroßes Gummi-Aufblas-Männchen ins Spiel gebracht: NO FEAR stand auf dem drauf. 

Und selbst wenn das Adjektiv "wunderbar" für einen Abend, egal ob erstes oder zweites oder drittes Mal, mit dem Pollesch vielleicht nicht so richtig passt, so ist er doch wunderbar amüsant gewesen und auch ein bisschen wunderbar traurig und in jedem Fall, voll des wunderbaren Wiedererkennungswertes von Liebe in Zeiten der Beschleunigung, der Liebe ohne Gefahr, der Liebe im Match-Ring von Tinder und der Liebe in Zeiten von 1.050 geaddeten friends, kurz: "Liebe halt genannt- ist ein Versprechen, das nicht hält!"




Uraufführung von "Keiner findet sich schön" war  am 24.06.2015

Pollesch empfiehlt zum Stück folgende Lektüre: Leben als Projekt von Luc Poltanski, Der neue Geist des Kapitalismus von Eve Chiapello und Poltanski sowie Lob der Liebe von Alain Badiou!
Ein bisserl Theorie muss sein!


Nachtrag: Uns ereilte die Anfrage, warum erst Jetzt zum 1. Mal bei R. Pollesch?
Antwort: Gibt es für Alles ne Entschuldigung?
Zu viel PostModerne, zu viel Theorie, zu wenig Berührung, für den Kater zu wenig "Bumms", so unser Vor-Urteil!
Die Kritiken zogen uns nicht wirklich hin!
Ist es dagegen nicht schön, dass es, bis zum Schluss, ein "wunderbares erstes Mal" geben kann?
 

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